GRASSWORKS Research Project

Etablierung arten- und blütenreicher Grünlandflächen im Reallabor Mitte

Eine Person mit einer Walze walzt das Saatgut auf einer Wiese mit gitterartig aufgebrochenem Boden an

Hainrode, ein Dorf im Herzen des Biosphärenreservats Karstlandschaft Südharz, ist das Reallabor in der Region Mitte des Grassworks-Projektes. Dort wurden im Jahr 2023 fünf arten- und blütenreiche urbane Grünlandflächen wiederhergestellt, um dem allgemeinen negativen Biodiversitätstrend entgegenzuwirken. Die Etablierung dieser Flächen war ein zentraler Bestandteil des zweiten Arbeitspakets, nämlich der transdisziplinären Umsetzung eines Renaturierungsprojekts zusammen mit der lokalen Bevölkerung. Wie sich diese Flächen entwickeln und welche Tier- und Pflanzenarten dort zu finden sein werden, werden wir erst im Laufe des Jahres 2024 beobachten können. Im folgenden Beitrag berichten wir über die Auswahl, Vorbereitung und Ansaat dieser urbanen Grünlandflächen.

Flächenauswahl

Im März 2023 führte das Team der Hochschule Anhalt in Hainrode eine Veranstaltung durch, die den Titel Das „Was“ und „Wie“ bei der Anlage artenreicher Grünlandflächen trug. Durch Vorträge, Diskussionen und einen Rundgang im Ort wurden die vielfältigen Möglichkeiten vorgestellt, mit denen die Artenvielfalt in Grünland und grünlandähnlichen Offenlandlebensräumen gefördert werden kann und was es dabei zu beachten gilt. Während der Veranstaltung wurden auf einer großen Karte von Hainrode erste Ideen und Vorschläge gesammelt, wo artenreiche Flächen angelegt werden könnten (s. Abbildung 1). Hier lag der Fokus auf den Wünschen vor Ort: Wo wünschen sich die Dorfbewohnerinnen und Dorfbewohner Artenvielfalt – mit üppigen Blühaspekten und krabbelnden und summenden Gästen – und warum? Anschließend haben wir uns zusammen mit den lokalen Akteuren trotz widriger Wetterbedingungen einige der vorgeschlagenen Flächen voller Tatendrang angeguckt (s. Abbildung 2), wodurch wir das Renaturierungspotenzial vor Ort diskutieren konnten. Unsere Erläuterungen, warum sich einige Flächen aus ökologischen Gesichtspunkten nicht für eine Renaturierung eignen und wo die Erfolgschancen hingegen hoch sind, schulte schnell das Verständnis der Veranstaltungsgäste: (1) Sind die Flächen zu stark beschattet, sind sie nicht geeignet, um Artengemeinschaften des Offenlandes zu fördern; (2) Weisen Flächen bereits eine hohe Anzahl charakteristischer Pflanzenarten auf, ist es nicht notwendig diese Flächen intensiv zu stören – diese Flächen sollten ausschließlich in der Pflege optimiert werden.

Mit jeder Menge Ideen und konkreten Flächenvorschlägen gingen wir aus dieser Veranstaltung (s. Abbildung 3), der schon bald Taten folgten. Zusammen mit zentralen Akteuren, wie dem Oberbürgermeister der Gemeinde Südharz, Vertretern des Biosphärenreservats sowie dem Vorsitzenden des Heimat- und Naturschutzvereins Hainrodes einigten wir uns auf fünf Flächen, die im September 2023 mit einer artenreichen Wildpflanzenmischung aus heimischer, zertifizierter Vermehrung angesät werden sollten. Diese fünf Flächen befinden sich an zentralen Plätzen innerhalb Hainrodes, da auch das Vermitteln der Thematik – die Wiederherstellung und Erhaltung von artenreichen Grünlandflächen – an Besucherinnen und Besuchern, wie Wander-Touristen entlang des Karstwanderweges, ein besonderes Anliegen der Dorfgemeinschaft ist. Somit hatte von Anfang an nicht nur die Förderung der Artenvielfalt eine hohe Priorität, sondern es sollte auch die Wissensvermittlung dazu und die Wertschätzung von artenreichem Grünland gefördert werden.

Vegetationsaufnahmen – Inventarisierung der floristischen Artenvielfalt

Doch bevor tatsächlich ausgesät werden konnte, war zunächst eine genaue Bestandsaufnahme der Pflanzenarten notwendig, da die ersten Einschätzungen des Workshops im März aufgrund der Jahreszeit nicht als uneingeschränkt zuverlässig angesehen werden konnten. Außerdem wollen wir natürlich den Erfolg der Renaturierung anhand einer Vorher – Nachher Betrachtung beurteilen können (Abbildung 5). Dafür wurden zunächst alle Flächen abgesteckt und mit provisorischen Schildern ausgestattet, die darauf hinwiesen, dass es sich um Forschungsflächen des GRASSWORKS-Projekts handelte. Es war uns wichtig zu kennzeichnen, welche Bereiche nicht gemäht werden sollen, um die vergleichbare Anfertigung von Vegetationsaufnahmen durch Dr. Annika Schmidt im Juni und Juli 2023 zu gewährleisten. Auch die Zugehörigkeit zum Forschungsprojekt zu kommunizieren war für die Hainröderinnen und Hainröder von Belang, um nicht den Anschein zu erwecken, dass das Stehen lassen ein Akt der Vernachlässigung oder des Vergessens sei (Abbildung 4).

Flächenvorbereitung

Nach der Vegetationsinventarisierung durfte bzw. sollte zwar wieder gemäht werden, aber bereit zur Ansaat waren wir noch nicht ganz. Denn zunächst musste der Boden vorbereitet werden, um dem vorgesehenen Wildpflanzensaatgut ein geeignetes Saatbett bereitzustellen. Dies geschah im August 2023, circa drei Wochen vor der Ansaat. Durch Fräsen mit einem Einachser (Abbildung 6) wurde die bestehende Grasnarbe zerstört, um die bestehende, konkurrierende Vegetation zu schwächen und so Raum und Ressourcen für die zukünftig bunt blühenden Wiesenarten zu schaffen. Hartnäckige Wurzeln wurden zudem händisch mit einem Spaten oder einer Grabgabel entfernt und große Pflanzenteile mit einem Rechen von der Fläche gekehrt, um erneutes verwurzeln der Pflanzen zu verhindern. Je weniger Konkurrenz auf der Fläche vorhanden ist, desto besser können die ausgesäten Samen keimen, sich entwickeln und sich etablieren (Abbildung 7). Um das bestmögliche Ergebnis durch eine gut vorbereitete Fläche zu erreichen, sollte vor der Ansaat ein zweiter Fräsgang erfolgen.

Die Ansaat der Hainröder-Wildpflanzenmischung

Im September 2023 war es dann endlich soweit: Die artenreiche Hainröder Blühwiesenmischung aus zertifizierter regionaler Saatgutvermehrung konnte auf den fünf ausgewählten Flächen in Hainrode ausgesät werden. Dabei hat uns sogar die Presse begleitet (hier finden Sie den Artikel dazu). Zunächst wurde der Boden kurz vor der Ansaat noch einmal gestört (erneut mit der Fräse, wie oben beschrieben) und ein gleichmäßiges, feinkrümeliges Saatbett geharkt. Währenddessen wurde das entsprechend der Flächengröße benötigte Saatgut abgewogen (2 g/m2) und mit Maisschrot (8 g/m2) vermengt (Abbildung 8). Maisschrot dient als Füllstoff, damit die Samen der verschiedenen Pflanzenarten, mit ganz unterschiedlicher Form und Größe, sich bei der Aussaat nicht entmischen und um das Ausbringen durch das erhöhte Volumen des Materials zu erleichtern. So kann das Saatgut gleichmäßig per Hand auf der Fläche verteilt werden (Abbildung 9). Anschließend wurde das Saatgut mit einer Rasenwalze leicht angedrückt, um gut mit dem Boden in Kontakt zu kommen (Abbildung 10). Mit Erde zugedeckt werden sollen die Samen jedoch nicht, denn diese sind Lichtkeimer!

Das Wichtigste zum Schluss − was haben wir in Hainrode eigentlich ausgesät?

In der extra für Hainrode von Dr. Annika Schmidt und Prof. Dr. Anita Kirmer zusammengestellten Mischung befinden sich die Samen von 49 Wildpflanzenarten (48 Kräuter, 1 Gras) aus zertifizierter regionaler Wildpflanzenvermehrung (VWW-Regiosaaten- Infos siehe hier). Integriert wurden charakteristische Wiesen- und Saumarten, mit verschiedenen Blütenformen, -farben und Blühzeitpunkten, die auch natürlicherweise im Südharz vorkommen. Der hohe Kräuteranteil in der Mischung ist erforderlich, um einen möglichst üppigen Blühaspekt zu erzielen. Grasarten sind auf den Flächen häufig bereits vorhanden, nur konkurrenzschwache Grasarten sollten integriert werden. Durch die Kombination von einjährigen und langlebigen Arten können bereits im ersten Jahr nach der Aussaat erste Blühaspekte erzielt werden – und somit dem Wunsch der Anwohnerinnen und Anwohner vor Ort, die neu geschaffene Blumenwiese als Aktion zur Förderung der Artenvielfalt an Gäste zu kommunizieren, gerecht werden. Nichtsdestotrotz bedarf es noch zwei bis drei Jahre Geduld bis sich die volle Blütenpracht präsentiert. Durch die Verwendung heimischer Wildpflanzenarten sehen die Flächen übrigens nicht nur schön aus, sondern stellen wertvollen Lebensraum für viele unserer Insekten bereit, denn gerade die gefährdeteren unserer Wildbienen- und Schmetterlingsarten sind oft auf das Vorhandensein ganz bestimmter Pflanzenarten angewiesen.

Mit der Ansaat alleine ist es noch nicht getan – um die erfolgreiche Etablierung der Samenmischung zu gewährleisten, sind eine angepasste Etablierungs- und Erhaltungspflege dringend notwendig. Aber davon berichten wir ein anderes Mal 😊!

Sollten Sie mal im Südharz unterwegs sein, beispielsweise auf den zahlreichen Wanderwegen, dann statten Sie doch gerne mal Hainrode einen Besuch ab, lesen Sie unsere Informationsschilder und schauen Sie welche Wildblumen Sie entdecken (Abbildung 11). Auf ein blütenreiches Jahr 2024!

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