GRASSWORKS Research Project

Grünland kann was! 

Ein gelungener Abschluss und ein hoffnungsvoller Tag für die Renaturierung von artenreichem Grünland

Wie erfolgreich ist die Renaturierung von artenreichem Grünland in Deutschland? Mit dieser Frage haben sich die Forscher:innen seit vielen Jahren beschäftigt und schließlich vor vier Jahren das Grassworks-Projekt ins Leben gerufen, gefördert über die Forschungsinitiative für den Erhalt der Artenvielfalt (FEdA) des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF).

Endlich war es so weit: bei der Grassworks-Abschlussveranstaltung stellten wir unsere Erkenntnisse zu Erfolgsfaktoren bei der Renaturierung artenreicher Wiesen und Weiden aus den Blickwinkeln der Ökologie, Ökonomie und Sozial-Ökologie vor. Im gläsernen Saal der Vertretung des Landes Niedersachsen in Berlin empfingen wir rund 50 Teilnehmer:innen mit dem Geruch von Heu, viel Anschauungsmaterial zu regionalen Wildpflanzenmischungen und einem spannenden Vortragsprogramm. Zusätzlich nahmen knapp 200 weitere Personen online an der Veranstaltung teil.

Forscher:innen von Grassworks und unsere geladenen Gäste präsentierten und diskutierten über die Faszination Grünland, wie es um seine Wiederherstellung steht und was wir für artenreiches Grünland tun können. Die bekannte Moderatorin Dr. Tanja Busse, die über sehr viel Erfahrung im Zusammenbringen der Themen Landwirtschaft und Biodiversität verfügt, setzte mit gewohnt scharfem Verstand und Charme den Gesamtrahmen. Die Veranstaltung wurde von Dr. Tanja Busse und Prof. Vicky Temperton mit Worten zur Dringlichkeit des Zusammenbringens von Artenvielfalt und Landwirtschaft eröffnet. Nur wenn wir einen Weg des Miteinanders finden, kann es eine nachhaltige Zukunft geben.

Prof. Vicky Temperton, Co-Projektleiterin mit Prof. Anita Kirmer, hat die Ziele der Veranstaltung und den Rahmen des Grassworks-Projektes vorgestellt, gefolgt von einem Überblick über die Ziele und Projekte der FEdA-Forschungsinitiative von Dr. Julian Taffner, dem Leiter der zentralen Koordinationsstelle. 

Erkenntnisse aus dem Grassworks-Projekt: Vielfältige Perspektiven auf eine multifunktionale Grünlandrenaturierung- Grünland kann was! 

Prof. Anita Kirmer präsentierte die ökologischen Ergebnisse einer post-hoc Analyse von Renaturierungsmaßnahmen auf 121 in ganz Deutschland verteilten Flächen. Hier ging es darum, den ökologischen Erfolg in bereits renaturierten Flächen in drei unterschiedlichen Regionen entlang eines Nord-Süd-Gradienten in Deutschland zu erfassen. Durch den Vergleich mit artenreichen und degradierten Referenzgrünlandflächen ließ sich eindrucksvoll zeigen, dass die Renaturierung auf den untersuchten Grünlandflächen alles in allem erfolgreich war. Besonders geeignete Renaturierungsmaßnahmen waren insbesondere die Verwendung von Direkterntemethoden (bspw. Mahdguttransfer) und die Einsaat regionaler Wildpflanzenmischungen. Sind die Pflanzenarten erst einmal wieder etabliert, kommen die Bienen und Schmetterlinge nach. 

Prof. Volker Beckmann ergänzte eine ökonomische Einschätzung zur Wirtschaftlichkeit von extensiver Pflege. Anhand von den betriebswirtschaftlichen Daten der Bewirtschafter:innen ermittelte sein Team, dass die durchschnittliche Förderung den Mehraufwand der extensiven Bewirtschaftung noch nicht ausgleichen kann. 

Anschließend berichtete Konrad Gray über die transdisziplinäre Arbeit in den Reallaboren, wo die Renaturierung artenreichen Grünlandes in Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und lokalen Akteur:innen gemeinsam erprobt wurde. So kann die aktive Auseinandersetzung zwischen Akteur:innen und mit ihrer Umwelt vielseitige und plurale Werte und Beziehungen miteinander und mit der Natur stärken. Durch gestärkte soziale und sozial-ökologische Bindungen wird nicht nur die Renaturierung von Grünland erfolgreicher, sondern es lassen sich hoffentlich auch langfristig nachhaltige Nutzungskonzepte durch enge Kollaboration schaffen.

Dann stellte Dr. Michaela Meyer vom Deutschen Verband für Landschaftspflege e. V. (DVL) Erkenntnisse und Erfahrungen aus der Praxis vor. Der kürzlich veröffentlichte Praxisleitfaden “Artenreiche Wiesen und Weiden erfolgreich anlegen” steht kostenlos zum Download bereit: https://www.dvl.org/publikationen/dvl-schriftenreihe. Darin finden Sie Informationen zu rechtlichen Hintergründen, Fördermöglichkeiten und Ratschläge, wie Hindernisse und Herausforderungen gemeistert werden können.

Zum Abschluss hat Prof. Vicky Temperton einen großen integrativen Bogen gezogen zwischen den Ergebnissen aus ökologischer, sozialwissenschaftlicher und sozialökologischer Perspektive.

Die ökologischen Ergebnisse wirken auf dem ersten Blick vielversprechend, aber ein nuancierter zweiter Blick zeigt, wie wichtig es ist, der Variabilität in den Ergebnissen und der Rolle der Bewirtschaftungsweise hierbei Beachtung zu schenken. Hier könnte der seit langem beobachtete Artenschwund und die Wahrnehmung von reduzierter Artenvielfalt als die neue Normalität, der sogenannten “Shifting Baseline” Effekt, eine Rolle spielen. Die artenreichen Referenzflächen waren zwar in einem guten Zustand, aber nicht mehr so artenreich wie vor fünfzig oder hundert Jahren. Somit sehen die Erfolge auf den renaturierten Flächen womöglich besser aus, als sie es gegenüber artenreichen Wiesen und Weiden aus den 1950er Jahren wären. Aus der sozialen Perspektive zeichnet sich ab, dass Renaturierungsprojekte, die partizipativ und sind weniger hierarchischgeführt werden, erfolgreicher sind (zumindest in der Wahrnehmung der Teilnehmenden). Die Mitarbeit und das Mit-Erschaffen (co-creation) in Renaturierungsprojekten hat zu einer Verstärkung relationaler Werte geführt. Diese sogenannten Beziehungswerte sind wichtig für die Verbindung mit dem Lebensraum Grünland und stärken die Motivation diesen zu erhalten. Interessanterweise erwies artenreiches Grünland zum einen als „Problemkind“ im Biodiversitätsverlustbereich und gleichzeitig als Zugpferd für eine Transformation hin zu mehr Vielfalt. 

Artenvielfalt auf Wiesen und Weiden – Zeugnis unserer Kulturlandschaft – Ergebnis von Mensch-Natur Beziehungen

Die Grassworks-Hypothese

Wissenschaftler*innen und Praktiker*innen im Grassworks-Projekt sind sich einig, dass eine erfolgreiche Renaturierung von Grünland nur dann gelingen kann, wenn in die artenarmen Flächen gebietseigene Wildpflanzen, insbesondere Kräuter, etabliert werden können. Dies kann mittels Direkterntemethoden oder der Ansaat artenreicher Samenmischungen aus zertifizierter, regionaler Vermehrung erfolgen. Um die Etablierung dieser eingebrachten Wildpflanzen zu ermöglichen, muss die Fläche gut vorzubereitet werden, d. h. eine Narbenstörung ist unbedingt notwendig. Gleichzeitig schloss der DVL aus der gemeinschaftlichen, wissenschaftlichen und praktischen Arbeit, dass das Miteinander zwischen Landwirt:innen und den Akteuren des Naturschutzes von großer Wichtigkeit ist. Renaturierung und Erhalt von artenreichem Grünland gestaltet sich um ein Vielfaches leichter und erfolgreicher, wenn beide Akteursgruppen nicht als Antagonist:innen agieren. Vielmehr müssen diese als Partner:innen in Beratung und Begleitung eines Vorhabens kollaborieren und sich gegenseitig unterstützen.

Dass ein Miteinander von Akteuren aus Naturschutz und Landwirtschaft besser funktioniert als ein Gegeneinander, wurde auch von den Teilnehmer:innen der abschließenden Podiumsdiskussion, Dr. Jürgen Metzner vom DVL, Prof. Sabine Tischew von der Hochschule Anhalt, Dr. Julian Taffner von der FEdA und Steffen Pingen vom Bundesbauernverband, immer wieder betont. Trotz Differenzen herrschte Einigkeit, dass mehr Anstrengungen zum Schutz von Grünlandökosystemen notwendig seien, aber auch darin, dass die bisherigen Konzepte insbesondere zur Honorierung und Einbeziehung der Landwirte nicht ausreichen. Es kam der Gedanke auf, dass es durchaus eine gute Idee sein könnte, wenn der Bauernverband mit dem DVL zusammen nach Brüssel reisen würde. Die unterschiedlichen Perspektiven der geladenen Gäste wurden von Dr. Tanja Busse professionell moderiert und etwaige Widersprüche gekonnt in Szene gesetzt.

Auch die Forschung in den Reallaboren belegte eine große Übereinstimmung zwischen den Teilnehmenden. Denn auch die Akteur:innen entdeckten, dass sie eine vielfältige Wertschätzung für Grünland teilten und tauschten sich intensiv miteinander aus, welche Bedeutung Wiesen und Weiden für sie in ihrer Heimat haben. Durch diese gefestigten und vielschichtigen Beziehungen mit und um Grünland ließen sich in den Projektregionen Ansätze erarbeiten, die den Zustand und das gesellschaftliche Ansehen artenreichen Grünlandes nachhaltig verbessert haben, was hoffentlich noch lange Bestand hat. Ein Mehr an Verständnis und Wertschätzung füreinander, zwischen Landwirtschaft, Naturschutz und Gesellschaft, kann so einen transformativen Wandel anstoßen, bei dem Grünland als sozial-ökologisches System gesellschaftlich getragenen Artenreichtum produziert. Eine direktere Einbindung in lokale Systeme kann zur (nicht-) monetären Honorierung beitragen und somit die erkannte Lücke an Wertschaffung und Wertschöpfung adressieren. Denn die maßgeblich zur Wirtschaftlichkeit beitragenden Fördermaßnahmen sind nicht nur häufig betriebswirtschaftlich unzureichend, sondern auch zu kompliziert oder unflexibel für Bewirtschafter:innen und Naturschutzziele. 

Gastvorträge zum Thema Multifunktionalität von Grünland: Die Grassworks-Erkenntnisse wurden von unseren exzellenten Gastvorträgen untermauert.

Einleitende Worte gab Prof. Josef Settele, bekannt als Bestäubungsexperte im IPBES (Intergovernmental Panel on Biodiversity and Ecosystem Services), mit einem Rundumblick auf den Artenverlust und der elementaren Rolle des Grünlandes. Er betonte dabei den engen Zusammenhang zwischen der Vielfalt im Offenland und Grünland und der Bereitstellung von Ökosystemleistungen. Das Potenzial der Natur, auf kontinuierliche und nachhaltige Weise zur guten Lebensqualität der Menschen beizutragen, ist bei nahezu allen untersuchten Ökosystemleistungen gesunken. Nur durch die Wiederherstellung von artenreichen Ökosystemen ist es möglich, dieser Entwicklung entgegentreten.

Prof. Eckhard Jedicke von der Hochschule Geisenheim folgte mit einem klaren Pläidoyer für den Ansatz der Multifunktionalität als Bestandteil einer Transformation hin zu mehr Vielfalt. Nur wenn die wahren Werte des artenreichen Grünlandes, d. h. was es uns geben kann (den Beitrag zum Gemeinwohl), von unserer Gesellschaft klarer wahrgenommen und wertgeschätzt werden, ist eine Transformation möglich.

Zum Abschluss hat Simon Keelan vom Bundesamt für Naturschutz die ersten Eckpunkte der Planung zur Durchführung der EU-Wiederherstellungsverordnung (EU Restoration Regulation) vorgestellt, und klar gemacht, dass dieser gesetzliche Meilenstein sowohl eine große Chance als auch eine Herausforderung darstellt. Die Kernergebnisse von Projekten wie Grassworks werden bei der flächenhaften Umsetzung von Renaturierungsmaßnahmen eine wichtige Rolle spielen

So kann es gehen … 

Dr. Simone Schneider vom SICONA Naturschutzsyndikat Luxemburg präsentierte den eindrucksvollen nationalen Aktionsplan zum Erhalt und der Wiederherstellung artenreichen Grünlandes in Luxembourg, gekennzeichnet durch die klare Priorisierung von notwendigen Maßnahmen. Im Umfang dessen werden jeder Naturschutzbehörde und Organisation personelle und finanzielle Kapazitäten bereitgestellt, um die hoch gesetzten Ziele zu erreichen und insbesondere die persönliche Beratung und Kollaboration mit Landwirt:innen vor Ort zu ermöglichen. Zusätzlich wurde ein Forum auf hoher politischer Ebene gegründet, in welchem zukünftige Positionen und Strategien im Dialog zwischen Landwirtschaft und Naturschutz für die nationale Ebene ausgearbeitet werden sollen. Insgesamt ein sehr positiver Ausblick für Grünland.

Fazit & Ausblick

Alles in allem wurde aus den Ergebnissen des Grassworks-Projektes, den Gastvorträgen sowie Publikumsgesprächen und der Podiumsdiskussion deutlich: Artenreiches Grünland kann was! Und dafür ist es notwendig, dass Naturschutz, Landwirtschaft, Gesellschaft und Politik gemeinsam an einem Strang ziehen. Es ist außerdem von Bedeutung, die vielfältigen Werte und Beziehungen bezüglich des artenreichen Grünlandes ins Bewusstsein zu rufen und spürbar zu machen. Deshalb wird nicht nur bei Grassworks, sondern auch bei vielen weiteren akademischen, politischen und gesellschaftlichen Initiativen daran gearbeitet, Gemeinwohlleistungen des Grünlandes bewusst zu machen und dessen Wertschätzung zu verbessern. Derzeit bereiten Forscher:innen aus Grassworks eine Liste von Kernforderungen an die Politik und weitere relevante Akteure vor, um diesen Weg voranzubringen.

Die Präsentationen, Diskussionen und Gespräche der Grassworks-Abschlussveranstaltung konnten Wege und Mittel aufzeigen, wie Forschung und Praxis erfolgreich in Schutz und Wiederherstellung artenreichen Grünlandes zusammenarbeiten und wie die derzeitigen Ansätze weiterentwickelt werden können. Denn Grünland kann was. Lasst uns dieses Potential nutzen!

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