GRASSWORKS Research Project

Vom Rennen auf Wiesen und Suchen in Keschern – Die Aufnahme von Tagfaltern und Wildbienen einer renaturierten Grünlandfläche
2. Logbucheintrag der Reihe „Wie funktioniert eigentlich wissenschaftliche Feldarbeit?“

Braun-orange gemusterter Schmetterling mit schimmernden Flügeln sitzt auf einem Finger. Dahinter ist Wiese zu sehen.

Woran denken Sie, wenn Sie den Begriff artenreiches Grünland hören? Es wäre nicht überraschend, wenn Ihnen dabei die ein oder andere Wildbiene oder ein Schmetterling in den Sinn kommt. Denn diese Insekten verbinden wir aus gutem Grund mit artenreichen Wiesen und Weiden: Sie finden dort durch das reiche Blütenangebot genügend und vor allem auch vielfältige Nahrung und einen Lebensraum. Dadurch und da sie schnell auf Störungen in ihren Lebensräumen reagieren, zeigen sie gut den Artenreichtum von Grünland an. Genau aus diesem Grund nutzen wir sie auch neben der Analyse des Bodens und der Vegetation, um den ökologischen Renaturierungserfolg unserer Grünland-Untersuchungsflächen zu analysieren.  

Im ersten Beitrag unserer Feldarbeitsreihe haben wir bereits den Projektaufbau und die Untersuchung des Bodens unserer Grünlandflächen vorgestellt. In diesem Beitrag geben wir einen Einblick in die Aufnahme der Tagfalter und Wildbienen. Wie der Boden, werden diese auch auf sämtlichen renaturierten Untersuchungsflächen und Referenzflächen aufgenommen und sollen einen Beitrag zur Beantwortung der Frage leisten, was bei der Grünlandrenaturierung in Deutschland zum Erfolg führt. Damit ist der Grund für die Aufnahme von Tagfaltern und Wildbienen zwar geklärt, doch wie sieht eine solche Aufnahme konkret aus?

Logbucheintrag: Aufnahme von Wildbienen und Tagfaltern auf einer Untersuchungsfläche

05.06.23

Bunte Wiese mit vielen verschiedenen Pflanzenarten.
Abbildung 1: Die Grünland-Untersuchungsfläche N_DWQ am 05.06.23 (Foto: Juno Laschke).

Wir befinden uns zurück auf unserer renaturierten Untersuchungsfläche N_DWQ, nur ist es diesmal Sommer und dazu ein recht sonniger Tag – gewissermaßen muss es das auch sein. Wir sind nicht das erste Mal zur Aufnahme von Tagfaltern und Wildbienen hier: Die Tagfalter- und Wildbienenaufnahme erfolgt auf allen Flächen zwischen Mai und August jeden Monat und damit viermal pro Fläche, um einen möglichst vollständigen Eindruck zu bekommen. Im Vergleich zu Boden und Vegetation, sind Tagfalter und Wildbienen deutlich empfindlicher, sodass für ihre Aufnahme bestimmte Bedingungen erfüllt sein müssen: Es darf nicht regnen, es muss warm genug sein und idealerweise nicht zu wolkig (das heißt mindestens 13°C, oder bei stärkerer Bewölkung 17°C). Zusätzlich darf es nicht allzu windig sein (maximal Windstärke 3). Am heutigen Tag unserer Aufnahme waren diese Bedingungen mehr als erfüllt und unsere Fläche lag in strahlendem Sonnenschein.

Auf die Kescher, fertig, los?

Zu Beginn der Aufnahme wird das bereits bei der Bodenprobennahme mit GPS ausgemessene 200 m lange und 5 m breite Transekt mit seinen vier 50 m langen Sub-Transekten exakt so wieder mit Stäben markiert. Dies dient, wie auch bei der Beprobung des Bodens, der Vergleichbarkeit. Die Aufnahme erfolgt nach Sub-Transekten und Zeit. Dabei wird jeweils für die Tagfalter und für die Wildbienen jedes Sub-Transekt 5 Minuten lang begangen und danach in Nachbegehungen noch zweimal die gesamte Fläche (siehe Abbildung 2). Die Aufnahme von Wildbienen und Tagfaltern erfolgt gleichzeitig durch zwei Personen, jeweils auf anderen Sub-Transekten und mit genügend räumlichem und zeitlichem Abstand. So soll vermieden werden, dass die Tiere durch die jeweils andere Aufnahme aufgescheucht werden und so irreführende Ergebnisse erlangt werden könnten. Die konkrete Aufnahme der Tiere erfolgt mit Keschern, unterscheidet sich bei den beiden Insektenarten allerdings ein wenig voneinander.

Schema der Begehung mit Übersicht über das Transekt und seine Teilabschnitte sowie den zurückgelegten Weg.
Abbildung 2: Schema der Begehung zur Tagfalter- und Wildbienenaufnahme (Übersicht: Lea Pöllmann).

Die Aufnahme von Tagfaltern – Vom Rennen auf Wiesen und Weiden

Um genau zu sein, werden nicht nur Tagfalter, sondern auch Widderchen in dieser Erfassung aufgenommen, da sie wie Tagfalter und Wildbienen ebenfalls gute Indikatoren für den Renaturierungserfolg darstellen und allesamt zu den tagaktiven Nachtfaltern gehören. Die Aufnahme startet an einem der Markierungsstäbe, ausgestattet mit einer Stoppuhr, einem Kescher, und einer Tasche mit Aerarium (ein flexibler Würfel aus einem feinen Netz und Draht, in den man die gefangenen Tagfalter setzen kann, siehe Abbildung 3), allerlei Bestimmungshilfen und nützlichen anderen Dingen für die Identifizierung der Falter. Die Markierungsstäbe markieren jeweils den Anfang und das Ende eines jeden Sub-Transekts mittig (siehe Abbildung 2). Der Weg bis zum nächsten Markierungsstab soll jetzt jeweils genau 5 Minuten dauern. Und dabei geht es wirklich nur um die Zeit für den Weg, sobald ein Tagfalter entdeckt wird, wird die Zeit pausiert. Das gilt für alle Tagfalter, die sich im Bereich von 5 m nach vorne und 2,5 m zu beiden Seiten im Sub-Transekt befinden oder dort entlangfliegen. Dann heißt es: Zeit stoppen, alles fallen lassen und mit dem Kescher dem Tagfalter hinterherrennen – wirklich wörtlich, die Tasche markiert den Punkt, an dem danach weitergegangen wird. Wenn der Falter gefangen ist, wird er ins Aerarium gesetzt, um ihn besser zu sehen und um eine Mehrfachaufnahme desselben Falters zu verhindern.

Kescher und Aerarium mit Schmetterlingen auf Wiese.
Abbildung 3: Kescher und Aerarium mit den aufgenommenen Tagfaltern (Foto: Lea Pöllmann).

Dort wird er dann bestimmt und in den Aufnahmebogen eingetragen. Zusätzlich wird sein Verhalten vermerkt: Ist er geflogen, saß er, hat er gerade Nektar gesaugt (wenn ja, an welcher Pflanze), war er im Balzflug oder Revierkampf mit einem anderen Falter, oder hat er gerade Eier abgelegt? Das dient dazu, einzuschätzen wie gebunden der Falter an die jeweilige Fläche ist: Ist er nur zufällig vorbeigeflogen und wollte eigentlich nur zum Rapsfeld nebenan oder hat er auf der Fläche selbst Nahrung gefunden und hält sich absichtlich dort auf? Ist alles notiert, wird wieder an dem Punkt gestartet, an dem man die Zeit gestoppt hat, und die Zeit läuft bis zur nächsten Tagfaltersichtung weiter. Dieser Vorgang wird auch bei den anderen drei Sub-Transekten und für die beiden Nachbegehungen wiederholt. Am Ende der Begehung werden die Tagfalter wieder in die Freiheit entlassen.

Bläulich schimmernder Schmetterling (Hauhechel-Bläuling) sitzt auf Hornklee. Im Hintergrund die Untersuchungsfläche.
Abbildung 4: Hauhechel-Bläuling (Polyommatus icarus) auf Hornklee (Foto: Lea Pöllmann).

Die Aufnahme von Wildbienen – Summendes Wirrwarr im Kescher

Die Wildbienenaufnahme erfolgt nach demselben Prinzip, allerdings wird hier nur in einer Breite von 1 m zu beiden Seiten von der Mitte die vorliegende Vegetation abgekeschert. Anschließend wird der Inhalt des Keschers mit allen nebenbei eingefangenen Insekten in Augenschein genommen. Alle Wildbienen werden dabei in einzelnen Glasröhrchen eingesammelt und im Aufnahmebogen aufgenommen. Sie werden mit Ausnahme der Hummeln mitgenommen, präpariert und zu einem Wildbienenspezialisten geschickt, der die Bienenarten bestimmt. Das liegt daran, dass die Bestimmung von Wildbienenarten mitunter sehr schwierig ist und nur von Spezialisten ausgeführt werden kann. Hummeln bilden da eine Ausnahme, da sie auch gut im Feld bestimmt werden können und deshalb auch nach ihrer Bestimmung wieder freigelassen werden.

Hummel saugt an Hornklee.
Abbildung 5: Steinhummel (Bombus lapidarius) auf Hornklee (Foto: Lea Pöllmann).

Analyse der Blütendeckung und Vegetationshöhe

Zusätzlich zu der Tagfalter- und Wildbienenaufnahme werden bei diesen Begehungen noch die Blütendeckung in den Vegetationsplots (je ein 4 m2 Bereich auf jedem Sub-Transekt, der der Vegetationsaufnahme dient, siehe Abbildung 2) festgehalten, sowie die Vegetationshöhe über das ganze Transekt verteilt aufgenommen. Hierfür wird jeder Vegetationsplot in vier 1 m2-Teile eingeteilt, die jeweils gekennzeichnet und aus der Draufsicht fotografiert werden. Hiermit wird später die Blütendeckung bestimmt. Die Vegetationshöhe wird je dreimal pro Sub-Transekt und somit 12-mal pro Transekt gemessen. Diese Daten können später mit den Wildbienen- und Tagfalterdaten kombiniert werden und so der Einfluss des Blütenangebots und der Vegetationshöhe auf die Tagfalter und Wildbienen untersucht werden.

Was konnten wir keschern? – Ergebnisse unserer Aufnahme

Person kniet auf dem Boden und sucht im Kescher nach Bienen.
Abbildung 6: Suchen nach Wildbienen im Kescher (Foto: Lea Pöllmann).

Auf unserer Fläche konnten wir heute einige Tagfalter und Wildbienen finden (siehe Tabelle 1 und 2). Dazu gehörten bei den Tagfaltern viele Hauhechel-Bläulinge, einige Kleine Wiesenvögelchen, und sogar zwei Wegerich-Scheckenfalter (zu sehen auf dem Titelbild), die auf der Roten Liste stehen und als gefährdet eingestuft sind. Bei den Wildbienen waren es viele Stein-, Gras-, und Glockenblumen-Hummeln, sowie einige Erdhummeln und Ackerhummeln. Die übrigen Wildbienen sind noch im Bestimmungsprozess.   

Tabelle 1: Aufgenommene Tagfalter der Untersuchungsfläche N_DWQ am 05.06.2023.

Tagfalter
Transekt-AbschnittArtnameAnzahlVerhalten
A1Coenonympha pamphilus (Kleines Wiesenvögelchen)1sitzend
A1Coenonympha pamphilus (Kleines Wiesenvögelchen)1fliegend
A1Polyommatus icarus (Hauhechel-Bläuling)1saugend an Lotus corniculatus (Hornklee)
A1Lycaenidae (Bläuling)1fliegend
A1Lycaenidae (Bläuling)1saugend an Lotus corniculatus (Hornklee)
A1Polyommatus icarus (Hauhechel-Bläuling)1Balzflug/Revierkampf
A1Polyommatus icarus (Hauhechel-Bläuling)2fliegend
A2Polyommatus icarus (Hauhechel-Bläuling)1saugend an Lotus corniculatus (Hornklee)
A3Polyommatus icarus (Hauhechel-Bläuling)6fliegend
A3Polyommatus icarus (Hauhechel-Bläuling)1saugend an Trifolium pratense (Rotklee)
A4Polyommatus icarus (Hauhechel-Bläuling)2fliegend
N1Melitaea cinxia (Wegerich-Scheckenfalter)1sitzend
N1Melitaea cinxia (Wegerich-Scheckenfalter)1fliegend
N1Coenonympha pamphilus (Kleines Wiesenvögelchen)4fliegend
N1Polyommatus icarus (Hauhechel-Bläuling)2fliegend
N2Polyommatus icarus (Hauhechel-Bläuling)3sitzend
N2Coenonympha pamphilus (Kleines Wiesenvögelchen)2fliegend

Tabelle 2: Aufgenommene und im Feld bestimmte Wildbienen der Untersuchungsfläche N_DWQ am 05.06.2023.

Wildbienen
Transekt-
Abschnitt
ArtnameAnzahlGeschlecht
A1Bombus lapid./rud./soro.
(Stein-/Gras-/Glockenblumen-Hummel)
7weiblich
A2Bombus lucorum agg. (Erdhummel)4weiblich
A2Bombus lapid./rud./soro.
(Stein-/Gras-/Glockenblumen-Hummel)
3weiblich
A2Bombus pascuorum (Ackerhummel)1weiblich
A3Bombus lapid./rud./soro.
(Stein-/Gras-/Glockenblumen-Hummel)
3weiblich
A4Bombus lapid./rud./soro.
(Stein-/Gras-/Glockenblumen-Hummel)
1weiblich
N1Bombus lapid./rud./soro.
(Stein-/Gras-/Glockenblumen-Hummel)
8weiblich
N1Bombus lucorum agg. (Erdhummel)1weiblich
N2Bombus lapid./rud./soro.
(Stein-/Gras-/Glockenblumen-Hummel)
5Weiblich
N2Bombus pascuorum (Ackerhummel)2Weiblich
N2Apis mellifera (Honigbiene, gehört nicht zu den Wildbienen)1weiblich

Diese Daten fließen mit den anderen Daten von den Begehungen, Flächen und Modellregionen zusammen und werden dann statistisch analysiert. So soll etwa herausgefunden werden, welche Faktoren Renaturierungserfolg für Tagfalter und Wildbienen ausmachen, ob bestimmte Renaturierungsmethoden sich besonders positiv auf Wildbienen und Tagfalter auswirken, oder auch welche Rolle das Renaturierungsalter und die Bewirtschaftung der Flächen dabei spielen. Diese Erkenntnisse fließen dann wiederum mit den anderen im ökologischen Untersuchungsteil des Projektes gewonnenen Ergebnissen in die Gesamtanalyse der Frage ein, was bei der Grünlandrenaturierung in Deutschland zum Erfolg führt.

Mehr Einblicke in die ökologische Feldarbeit können Sie in dem Beitrag zur Bodenprobennahme auf unseren Flächen und dem bald folgenden Beitrag zur Vegetationsaufnahme gewinnen.

Lea Pöllmann
lg079559@stud.leuphana.de |

Ich studiere Umwelt- und Nachhaltigkeitswissenschaften mit einem Fokus auf Ökologie und Naturschutz an der Leuphana Universität Lüneburg. Mein besonderes Interesse gilt den Funktionen und Interaktionen von Ökosystemen, und wie wir diese nachhaltig und zu beiderseitigem Vorteil mit unseren sozialen Systemen verbinden können. In Grassworks arbeite ich hauptsächlich in der Öffentlichkeitsarbeit und schreibe meine Abschlussarbeit im ökologischen Untersuchungsteil.

Autor

Ich studiere Umwelt- und Nachhaltigkeitswissenschaften mit einem Fokus auf Ökologie und Naturschutz an der Leuphana Universität Lüneburg. Mein besonderes Interesse gilt den Funktionen und Interaktionen von Ökosystemen, und wie wir diese nachhaltig und zu beiderseitigem Vorteil mit unseren sozialen Systemen verbinden können. In Grassworks arbeite ich hauptsächlich in der Öffentlichkeitsarbeit und schreibe meine Abschlussarbeit im ökologischen Untersuchungsteil.

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